In den ersten Minuten

In den ersten Minuten eines neuen Tages liege ich eingekuschelt in meine Decke, meist mit Kinderfüßchen in Bauch und Rücken, in unserem großen Bett während es vor dem, durch unseren Atem, mit kleinen Regentropfen behangenen Schlafzimmerfenster morgendlich zu dämmern beginnt.

Dann höre ich meinen Kindern beim Träumen zu. Sie schlafen tief und zufrieden. Diese Gelegenheit nutze ich, um mich auf leisen Sohlen in meinen selbstgestrickten Socken aus dem Schlafzimmer zu schleichen.

In den ersten Minuten dieses neuen Tages ist die Küche, in der ich mir eine Tasse frischen Kaffee brühe, meine allererste Anlaufstelle. Wenn beim Öffnen der Vorratsdose der Geruch von frisch gemahlenem Kaffee in meine Nase wandert, dann packt mich ein Gefühl der Vorfreude und ich erahne, den mir vertrauten, Geschmack auf meiner Zunge.

Das Geräusch des Röchelns und Zischens, das beim Verdampfen der letzten Wassertropfen entsteht, empfinde ich als eine allmorgendliche Melodie in meinen Ohren. Sie verspricht mir Gutes und ist mein persönlicher Gute Laune Song.  Denn dann kann ich endlich in Richtung Balkon schleichen.

Sobald ich die Tür, die mich nach draußen führt, leise hinter mir schließe, während mich die Dunkelheit verschluckt, empfinde ich ein ganz besonderes Gefühl von Freiheit.

Es sind diese ersten Minuten des Tages, die ich dafür nutze, um ganz und nur bei mir selbst zu sein, um in Ruhe das Röstaroma meines Kaffees auf der Zunge wahrnehmen und ungestört meinen Gedanken nachhängen zu können. Sie sind morgens ganz frisch, unverbraucht und vor allem wenig fremdbestimmt.

Dann spüre ich mich selbst. Meine Gefühle und Bedürfnisse bekommen einen Raum.

In diesen ersten Minuten des Tages kann ich mir in Ruhe überlegen, wie ich diesen Raum auch im Laufe des restlichen Tages für mich gestalten möchte.

Bleibt im Anschluss an dieses kleine Morgenritual noch etwas ungestörte Zeit übrig, dann notiere ich meine Gedanken, Erkenntnisse und meine Stimmung in einem Tagebuch. Diese Notizen helfen mir dabei, den besonderen Glanz dieser allmorgendlichen Bewusstseinsmomente festzuhalten und wenn ich sie mir zu einem späteren Zeitpunkt durchlese, erzeugen sie in mir das gleiche Glücksgefühl.

In den ersten Minuten des Tages, wenn ich, mit einer Tasse Kaffee in den Händen, in den mit Wolken oder Sternen übersäten Himmel blicke, bin ich dankbar. Mir die unzähligen wunderschönen kleinen und großen Geschenke des Lebens bewusst zu machen, hilft mir, mich mental im Hier und Jetzt niederzulassen. Mich sicher und geborgen zu fühlen. Die noch kühle Morgenluft tief durch Mund und Nase einsaugend, erwache ich zunehmend zum Leben und spüre deutlich, dass jetzt Sommer ist.

In den ersten Minuten des Tages betrachte ich mein Leben als ein großes Geschenk und überlege mir aus dieser wundervollen Erfahrung heraus, wie ich es heute wieder mit Liebe füllen und großer Dankbarkeit fühlen und feiern kann.

Es sind kraftvolle, erquickende, manchmal auch wehmütige, sehnsüchtige erste Minuten. An jedem Tag hält meine Seele eine andere Zusammensetzung aus Gedanken und Gefühlen bereit, deren Intensität ebenso variiert.

Ich fühle mich dazu in der Lage und dafür verantwortlich, mein Leben und die vielen Wohlfühlinseln eines Tages, selbst zu kreieren. Diese besonderen, ungestörten, authentischen, ersten Minuten meines Tages sind ein guter Anfang dafür, denn ich nehme mich selbst an und das Glück für mein Leben in die Hand.